Von blinden Headhuntern und blauäugigen Personalern
Geschrieben vor elf Jahre und sechs Monate.
Die Lesezeit beträgt etwa zehn Minuten und 13 Sekunden.
Ein wichtiger Hinweis vorab
Als ich den Vortrag hielt, war ich von dem Thema selbst nicht allzu sehr überzeugt. Es war damals noch ein Problem, was hauptsächlich mich und einige meiner Freunde betraf. So dachte ich zumindest… Doch ich hatte zugesagt, also habe ich den Talk auch – unsicher und stotternd – durchgezogen. Was nach dem Talk passierte, hat mich kalt erwischt:
- Der Link wurde bei XING der meistgeteilteste Link. Auch bei Twitter, LinkedIn und Co. Wurde er geteilt.
- Über 10.000 Leser in den ersten vier Tagen.
- Feedback! Massenweise Feedback. Ich habe hunderte E-Mails bekommen, die dem Thema zustimmten. Teilweise mit weiteren „Vorschlägen“ für einen eventuellen zweiten Teil, teilweise mit Dankesbekundungen fürs „das Öffnen der Augen“.
- Ich konnte in der Zwischenzeit vielen Firmen erfolgreich als freiberuflicher Berater in diesen Themen helfen (von der Optimierung von Stellanzeigen, über Feedback zu vorhandenen Prozessen bis zu Mitarbeiterbefragungen und anschließendem Optimierungsbericht war alles dabei…). Es braucht also doch oft nur ein bisschen externes Feedback. Wer Bedarf hat: Ich freue mich auf Kontakt! Lassen Sie uns gemeinsam diese Situation verbessern.
Was mir persönlich am Herzen liegt: Ich habe nichts gegen Recruiter, Headhunter und Personaler. Es ehrt mich immer wieder, wenn ich angeschrieben werde. Aber ich weiß auch um meinen Wert und bin nicht gewillt, mich zu einer Ware machen zu lassen. Aber das zählt nicht nur für mich, sondern für jeden.
Beim 47. Webmontag in Frankfurt durfte ich einen Vortrag im sogenannten „Ignite“-Format halten. Das bedeutet: Fünf Minuten Zeit, 20 Slides, alle 15 Sekunden wird automatisch die nächste Folie gezeigt. Mein Vortrag hatte den Titel „Von blinden Headhuntern und blauäugigen Personalern“ und handelt von Erfahrungen mit Headhuntern und Personalern.
Auch mein Vortrag wurde mitgeschnitten und ist inzwischen auf Vimeo verfügbar. Zusätzlich gibt es meine Präsentation bei SlideShare:
Und, weil ich einige Punkte vergessen habe, hier der Niederschrieb meiner Notizen – in ausgeschriebener Form.
#1: Von blinden Headhuntern und blauäugigen Personalern
Es scheint aktuell so, als ob jede Agentur oder Firma dieser Welt neue Mitarbeiter sucht. Gerade im technischen Bereich gibt es fast keine Woche, in der nicht irgendein Headhunter oder Recruiter anklopft. Generell ist das eine gute Sache und man fühlt sich auch ein bisschen geehrt, aber nach einer Weile gibt es ein paar Dinge, die einen stören.
#2: Alles nur Hörensagen
Der Vortrag ist nicht nur für Headhunter gedacht, sondern auch für diejenigen, die „gejagt“ werden. Neben meiner persönlichen Erfahrung spielt hier auch die Meinung einer Handvoll anderer Leute eine Rolle.
Wichtig: Nicht jeder Punkt mag für jede Firma realisierbar sein. Und ob die Punkte für euch persönlich wichtig sind, müsst ihr selbst entscheiden.
#3: Massenmails sind Bockmist
Wenn ihr eine Massenmail von einem Recruiter bekommt, seid ihr für diesen nichts anderes als eine Nummer. Ihr könnt definitiv mehr erwarten als das.
Der beste Betreff eines Personalers, den ich persönlich bekommen habe, war: „Fabian, wir lieben Muffins so sehr wie du“. Die Agentur hatte einen Blick auf mein öffentliches Facebook-Profil gewagt und so herausgefunden, was ich persönlich so mag und direkt Bezug darauf genommen. Bis heute bleibt mir diese Firma positiv im Kopf.
#4: Kaltanrufe auch
Cold Calls sind immer nervig. Aber es gibt tatsächlich Headhunter, die sich als Kunde ausgeben und in deiner aktuellen Firma anrufen, nur um dich ans Telefon zu bekommen. Das ist ein Unding und absolut unprofessionell. Die meisten von uns sitzen ziemlich oft am PC – schickt uns einfach eine E-Mail.
#5: Direkter Kontakt ist Pflicht
Selbstverständlich ist ein direkter Kontakt Pflicht. Es ist egal, ob dieser über LinkedIn, XING, Facebook oder klassisch via E-Mail stattfindet. Was niemals, wirklich niemals geht: Kontakt über die E-Mail-Adresse deiner aktuellen Firma.
Und ein Hinweis diejenigen, die rekrutiert werden wollen: Ermöglicht den Kontakt! Ich hatte schon mit Leuten zu tun, die einen Job suchen, aber jeden Kontakt bei XING und Facebook blockiert und nirgends eine E-Mail-Adresse angegeben hatten …
#6: Antwortet rechtzeitig
Egal ob Recruiter oder Jobsuchender: Eine Antwort innerhalb 24 Stunden ist Pflicht. Aus diesem Grund gilt es auch, die ganzen sozialen Netzwerke regelmäßig zu besuchen, damit eine Anfrage nicht untergeht.
Wer bei XING oder LinkedIn nur ein Pro-forma-Profil hat, sollte dieses lieber löschen.
#7: Nerve nicht
Wenn die angebotene Stelle oder die suchende Firma zwar interessant ist, ihr aber aktuell nicht wechseln wollt, vereinbart einen Kontakt zu einem späteren Zeitpunkt. Das ist völlig in Ordnung und von guten Recruitern auch gerne angenommen.
Aber, liebe Recruiter: Nervt nicht alle drei Wochen mit der Frage, ob es inzwischen etwas Neues gibt. Ein guter Zeitrahmen ist drei bis sechs Monate.
#8: Nenne mir die Firma
Jeder Headhunter dieser Welt bietet immer eine Position an: die top Position in einem der führenden deutschen Unternehmen. Bla, bla, bla.
Nennt mir einfach die Firma, für die ihr auf der Suche seid. Es gibt Firmen, für die werde ich niemals arbeiten wollen. Und das erspart uns beiden jede Menge Zeit.
Und keine Sorge: Ich bewerbe mich definitiv nicht hinter eurem Rücken bei der Firma. Wieso sollte ich? Angeworben zu werden bringt mich direkt in eine bessere Position …
#9: Pitche die Stelle
Start-ups müssen innerhalb weniger Sätze einen Investor überzeugen, warum dieser genau in sie investieren soll. Ich investiere zukünftig vielleicht meine Arbeitskraft in euch. Pitcht mich! Erklärt mir kurz und bündig, warum ich genau bei euch anfangen soll und nicht bei der Konkurrenz. Sag mir, was die Stelle und die Firma einzigartig macht.
#10: Sage mir, was du suchst
Recruiter müssen explizit definieren, was oder wen genau sie suchen.
Beispiel: Werbeagentur. Dort erwarte ich viele verschiedene Projekte für viele verschiedene Kunden. Das muss aber so nicht sein. Auch in Agenturen kann man jahrelang für einen fixen Etat und somit nur für einen Kunden bzw. ein Projekt arbeiten. Das ist nicht das, was ich erwarte. Dann bin ich schneller wieder weg, als ihr mich rekrutieren konntet.
#11: Überprüfe Anforderung & Angebot
Deswegen gilt es zu prüfen, ob ich das biete, was ihr sucht. Wenn nirgends in meinem Profil etwas von Java steht, ist die Wahrscheinlichkeit, dass ich kein Java programmiere, sehr hoch. Du kannst uns beiden die Zeit sparen, indem du dich mit meinem Profil im Vorhinein beschäftigst.
#12: Gib mir Kontakt zum Vorgesetzten
Es ist immer eine gute Idee, den Kandidaten mit dem zukünftigen Vorgesetzten in Kontakt zu bringen. Das hat den Vorteil, dass man sich direkt ein bisschen beschnuppern kann und man recht schnell merkt, ob die Chemie stimmt. Außerdem gibt es bei technischen Fragen eine schnellere Antwort, die der Recruiter sowieso nicht beantworten könnte.
#13: Ein Umzug ist nicht normal
Viele Firmen denken es zwar, aber ein Umzug ist nicht selbstverständlich. Gerade im technischen Bereich gibt es viele Jobs, die via Remote erledigt werden können. Somit muss man vielleicht nur einen Tag pro Woche tatsächlich vor Ort sein.
Wenn ich allerdings für euch umziehe, unterstützt mich dabei. Stichwort: Wohnungssuche und Umzugsgeld.
#14: Kicker ziehen nicht
Wir alle kennen die Stellenangebote, die kostenlosen Kaffee und einen Tischkicker anbieten. Total … langweilig! Ein Kicker ist kein Grund, um bei einer Firma anzufangen. Wenn der Job uninteressant oder die Firma mies ist, macht so ein Kicker die Sache nicht besser.
Und kostenloser Kaffee sollte sowieso im Grundgesetz verankert sein … ;)
#15: Biete gute Benefits
Wenn es schon um Vorteile geht, dann bietet gute an. Oder fordert sie, wenn ihr rekrutiert werdet! Was genau gute Benefits sind, ist eine persönliche Sache. Wie wäre es mit einer Bahncard? Oder ein großes Budget für Konferenzen? Oder Homeoffice? Flexible Arbeitszeiten?
#16: Suche Personen, keine Lückenfüller
Wenn es die Firmengröße erlaubt, ist dies einer der besten Tipps … Wenn ihr jemanden einstellen könnt, der vor Tatendrang brennt und mit seinem Können überzeugt, stellt ihn ein. Auch dann, wenn die Position aktuell eigentlich nicht zu besetzten ist. Früher oder später wird es sich bezahlt machen.
#17: Gehe ungewöhnliche Wege
Auch beim Recruiting müssen kreative Wege gegangen werden. Ich bekam vor drei Jahren von Motorola Mobility eine Nachricht über GitHub – einem Netzwerk für Entwickler. Sie hätten meine Arbeiten gesehen und würden sich gerne über eine Position in ihrem Unternehmen unterhalten. Das war damals mal etwas Neues – und werde ich so schnell nicht vergessen.
Warum nicht mal bei Stack Overflow nach Entwicklern oder technischen Leuten schauen? Oder ganz andere Wege gehen und einen ausgewählten Kandidaten zu einem Tag Urlaub in die Stadt einladen, in der eure Firma ist – und dieses mit einem Kennenlernen verbinden? Oder einfach mal eine Schachtel mit einem kleinen Kuchen und einer Grußkarte verschicken? Seid kreativ!
#18: Glückliche Mitarbeiter sind die beste Referenz
Ihr könnt Tausende von Euro bei irgendwelchen Recruiting-Aktionen verbrennen, aber nichts ist besser als glückliche Mitarbeiter. Wenn ich auf einem Event mit jemandem rede und derjenige brennt für seine Firma und schwärmt von den Projekten, dann bleibt mir dies viel besser im Kopf als es jede ausgedachte Aktion jemals tun würde.
#19: Wer mit Peanuts bezahlt wird von Affen bedient
Zu diesem Slide gibt es nicht viel zu sagen, nur ein paar durchschnittliche Bruttogehälter für Männer (aus dem Stern Nr. 13 vom 21.03.2013): Grafiker: 3600 €. Programmierer: 4600 €. Werbefachleute: 3700 €.
Verkauft euch nicht unter Wert. Es sei denn, ihr müsst.
#20: Viel Erfolg
Liebe Headhunter, Recruiter, Personaler: Ich hoffe, dass ihr in Zukunft ein paar dieser Dinge beherzigt – wie gesagt, es ist nicht nur meine persönliche Meinung, sondern die von (wie sich inzwischen herausstellte) vielen.
Und für alle anderen: Viel Erfolg beim nächsten Kontakt mit HR-Leuten!